Der Kulturlabor e.V.

Eine freie Theatergruppe in Trier zu gründen, da bedarf es angesichts der Trierer Mentalität und der regionalen Kulturlandschaft schon einigen Mutes. Was Alexander Ourth, Elke Reiter und ihre Mitstreiter inzwischen auf die Beine gestellt haben, kann sich allerdings sehen lassen.

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Kulturlabor e.V. heißt der Theaterverein ohne festen Spielort –eingegliedert als Mitgliedsverein des Tufa e.V. – , den die beiden 2010 ins Leben gerufen haben. Grund dafür seien das „Fehlen einer professionellen freien Szene und vor allen Dingen das mangelhafte Angebot von Jugendtheater“ gewesen, so Elke Reiter, die Kulturpädagogik studiert und anschließend eine Ausbildung zur Clown-Schauspielerin absolviert hat. Alexander Ourth ergänzt, dass „die wenigen freien Schauspieler, die es in Trier gibt, zusammengebracht und bestehende Kapazitäten bestmöglich ausgenutzt werden sollten, um die ungenutzte Nische des Jugendtheaters kontinuierlich versorgen zu können.“

Dabei liefert das Kulturlabor keine klassischen Theateraufführungen, sondern erarbeitet die Stücke auf eine in der Form und Kombination einzigartigen Weise. „Wir wollen die Technologiemöglichkeiten im Theater ausloten und weiterentwickeln“, beschreibt Ourth die Idee.

Angefangen hatte das ganze mit einfachen 2D-Projektionen. Seither hat sich Ourth immer weiter in die entsprechenden Computerprogramme eingearbeitet. Mittlerweile wird jede Inszenierung von immer aufwendiger werdenden Videoeinspielungen, grafischen Simulationen und Infrarotinstallationen begleitet. „Die Arbeit, wie wir sie machen, kann in Deutschland kaum eine Handvoll Menschen leisten“, so der 34-jährige.

Der Reiz, mit Videokunst zu arbeiten, liege für ihn in zweierlei Dingen. Einerseits sei eine Videoprojektion im Vergleich zum aufwendigen Bühnen- und Kulissenbau von den Kosten her ein erheblicher Sparfaktor, andererseits könne man mit Videos das Innenleben der darzustellenden Rolle des Schauspielers erweitern, ergänzen und hervorheben. „Augmented Stagereality“ lautet das entsprechende Schlagwort. „Video kann Dinge leisten, die das herkömmliche Theater als augenblickliches und einzigartiges Medium nicht bieten kann“, betont Ourth. Dennoch geht es ihm nicht um reine Effekthascherei, sondern um einen gesunden Mix aus real-gegenwärtigem Schauspiel und Videokunst in allen möglichen Darstellungsvariationen.

Und so kümmert sich Ourth, der Schauspiel in Salzburg studiert hat und dann lange Jahre am Trierer Theater war, hauptsächlich um Inszenierungen und Regie, während Reiter die theaterpädagogische Arbeit übernimmt, den Kontakt mit Schulen pflegt und die Nachbereitung der Stücke mit den Jugendlichen organisiert.

Ourth ist der Meinung, dass die Basis des Erfolges immer die richtige Wahl des Stückes sei. Die Bilanz spricht dafür, dass die richtige Auswahl treffsicher gelingt. Seit sie im Jahr 2011 nach einjähriger Vorlaufzeit ihr erstes Stück „Das Versprechen“ auf die Bühne brachten, ging es stetig bergauf. Inzwischen realisiert der Verein hauptsächlich mit Hilfe der Nikolaus-Koch-Stiftung, privaten Spenden sowie der eigenen Einnahmen fünf Produktionen im Jahr, darunter eine Veranstaltung für Kinder.

„Die Auslastung unserer Schulvorstellungen am Vormittag liegt bei 90%“, sagt Reiter sichtlich stolz. Ein solcher Erfolg entwickelt natürlich Anziehungskraft. Und so ist das Ensemble mittlerweile auf acht Schauspieler angewachsen.

Für die aktuelle Produktion konnten Schauspieler aus Basel, Köln und Hamburg gewonnen werden. Ingo Paulick, der seit 2011 zum Kulturlabor e.V. gehört, ist sogar dauerhaft aus Forst nach Trier gekommen.

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„Biedermann und die Brandstifter“ heißt das neue Stück, das am Sonntag um 20 Uhr in der TUFA im Großen Saal Premiere feiert.

Max Frisch schrieb das Drama zur Zeit der Machtergreifung der Kommunisten in der Tschechoslowakei. Die damals herrschenden destruktiven Kräfte und Umwälzungsmechanismen in der Gesellschaft münzt er um auf den Mikrokosmos Familie. Zwei Brandstifter (Ingo Paulick und Andreas Furcht) schleichen sich ins Haus des begriffsstutzigen Biedermanns (Stephan Vanecek) und seiner Frau (Marja Krings) ein. Tatsächlich schaffen sie es, obwohl gegen alle Prinzipien des Hausherren verstoßend, sich mit einiger Dreistigkeit und Schläue immer wieder des Rausschmisses zu erwehren. Die beiden Kriminellen versuchen aus dem spießigen Biedermann ein wenig Barmherzigkeit herauszukitzeln. Dieser ist zu solchen Regungen aber gar nicht fähig und sucht sich stattdessen zweifelhafte Rechtfertigungen, mit denen er sich selbst sein offensichtlich falsches Handeln erklärt. Hierin liege, so Ourth, auch die Aktualität des Stückes. Auch heute gebe es keine allgemeingültige Moral in der Gesellschaft mehr.

Biedermann lässt sich im Laufe des Geschehens stärker und stärker blenden, obwohl die Brandstifter immer offensichtlicher operieren. Schlussendlich misst er sogar gemeinsam mit den Gaunern die Zündschnur aus und drückt ihnen höchstpersönlich die Streichhölzer in die Hand, mit denen sie alles in die Luft jagen.

Seit Anfang Januar arbeitet das Ensemble an dem von Übertreibung und intellektuellen Witz lebenden Stück. Alexander Ourth inszeniert das Drama nicht nur mit vorproduzierten Videos, sondern beschreitet erstmals das Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Dabei werden Liveaufnahmen automatisch durch verschiedene Bildfilter gejagt, zeitversetzt wieder ausgespuckt und über 24 gleich große Bildkästen projiziert. Der Computer erkennt außerdem mittels Facetracking die Augen der Schauspieler und weiß genau, an welcher Stelle er beispielsweise einen Totenkopf einspielen muss. Ein weiterer Clou ist der punktuelle Einsatz von Infrarotkameratechnik, mittels derer die Bewegungen der Schauspieler in ein Netz aus Linien übertragen und über die vorproduzierten Videos gelegt werden kann, sodass diese direkt Einfluss auf das Video nehmen. Der von Frisch vorgesehene Chor wird mit einer Sprachkomposition und Solopassagen, in denen Hannah Ma tanzt, ergänzt.

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Vielfältiger kann ein Stück also kaum sein. Ein ansprechender Theaterstoff trifft auf innovative Videokunst trifft auf Schauspielkunst trifft auf Tanz. Eine unterhaltsame Mischung, die man sich an folgenden Terminen im Großen Saal der TUFA ansehen kann:

Reguläre Abendveranstaltungen am 24.02 und 28.02. um 20 Uhr

Schulvorstellungen am 22., 25., 26., und 28.02. um 10 Uhr

Das Making-Of des Stückes ist hier zu sehen:

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